Geschrieben von am 25. Juni 2025

Was habe ich mir denn dabei gedacht? Was, wenn wir das gar nicht schaffen? Was, wenn sie rausfinden, dass ich noch ganz neu bin, gar kein Schiffer, sondern Neuling, das Ventil, das nicht hält, wenn es drauf ankommt? Wenn sie merken, wie nervös ich bin? Ich habe es gewusst, ich habe es gespürt, bei jedem Tritt in die Pedale kam eine neue Frage, mit nur einer Antwort, gleichmäßig zum Knarzen, dem Mahlen der Kette, wie ein leises Mahngeräusch unter Deck. Und der eine Gedanke. Das muss jetzt werden. Und so wird es auch. Fast ein Psalm. Und ich sagte ihn auf, immer und immer wieder, als ich mein Fahrrad nach vorne trieb. 

Und so kann eine Seereise eben losgehen. Mit dem Gedanken, dass es schon wird. Man ist ja auf See, da zählt der Wille. Und das Minimalistische. Man braucht nicht viel, nur einen Koch, der nicht seekrank wird. Den hatten wir. Man braucht einen Steuermann, der sieht, wann der Kahn dreht. Hatten wir auch. Einen Navigator, der den Bug liest und den Radar radiert. Nach einigen Flüchen über die Technik haben sie das Schiff in Fahrt gebracht. Was ein Start! Eine Crew braucht man auch, die nicht nur steht, sondern läuft, wenn’s ruft. Diese Crew hatten wir, und ich war dabei. Und plötzlich war klar: es ging los. Endlich. Es wurde Zeit. Mit Schwankungen.

Die erste Hürde: Schleuse Spandau. Und keiner wusste, wie lang das dauern würde. Oder ob wir selbst kurbeln müssen. Vielleicht schliefen sie ja wieder. Da oben im Turm, da schläft es sich gut, sagen die Tauben. Wieder diese Fragen: Was, wenn wir da hängen bleiben? Was, wenn wir schon hier nicht weiterkommen? Aber ich sagte mir wieder: Das passt schon. Ich spürte, wie etwas in mir sagte: Jetzt nicht kippen. Und das sagte ich auch dem Boot. Und tatsächlich – wir kamen durch, ohne lange zu warten, und wir fühlten uns mit Frohsinn. Passend dazu wurden wir herzlich empfangen: Musik, Sonnenuntergang, ein Glas, das klirrte. Wir hatten’s geschafft. Für einen Moment. Ein Moment reicht, dachte ich. Fürs Erste.

Und dann: der Tango. Wie bestellt. Der Kurs in Berlin war abgesagt, und plötzlich standen sie da, am Steg, ganz in der Nähe. Als hätte jemand gesagt: Wenn ihr schon nicht tanzt, aus Freude des erfüllten Tages, dann kommt der Tanz zu Euch. Und es brachte Wirkung. Die Bewegung, die das Lachen brachte. Der Takt, der sich durch unsere Sinne zog, durch die Schuhe, und auch unsere Füße. So leicht kann das Leben auf See sein, dachte ich, zum Takt des Tangos. Und dabei war es erst die Havel.

Wie waren unsere Tage danach? Blau. Viel blau. Alles war blau. Das Wasser, der Himmel, sogar die Gedanken, die sich langsam mit dem Licht vermischten. Wir schauten nur noch nach vorn. Denn hinter uns war nichts als Aufbruch, vorn lag das Offene. Die Strömung war eindeutig. Der Fluss wollte, dass wir weiterfahren. Also fuhren wir. Der Kurs war klar: geradeaus. Meistens. Außer wenn das Boot ausschlug, tanzte, noch blau vom Tango. Dann wurde der Kurs zickzack. Aber auch ein Zickzack Kurs kennt sein Ziel. Und unser Ziel war vorne. Meistens…

Was teilten wir? Brot, Geschichten, Blicke. Und auch ein Hallelujah beim Blick auf das Schiffshebewerk Niederfinow. 300 Meter tief, wie ein Aufzug, der in die Tiefe ging. Und wir sanken hinein. Sanft. Abwärts. Zum ersten Mal waren nicht wir das Spektakel. Die Schleuse war es. Und wir mittendrin. Ein Moment, der sich einbrannte. Man wird kleiner, wenn alles um einen herum so viel größer ist. Und trotzdem fühlten wir uns getragen. Vielleicht war das das Geheimnis: sich fallen lassen und trotzdem oben bleiben.

Und weiter ging die Fahrt. Ziel: Stettin. Der Weg? Die Oder. Die Hälfte der Crew würde dort von Bord gehen, also grillten wir noch einmal, als wollten wir die Glut mitnehmen. Seefahrer sind Grillmeister. Das war klar. Die Stimmung war gut. Es war gemütlich, fast schon malerisch.

Wie unsere Reise auf dem Prahm, dem es an nichts mangelte, außer dem was ein Schiff ausmacht. Speed. Aber auch der kam. In Stettin. Mit dem Regen, dem Gewitter, der Abkühlung. Die Luft war schwer, das Boot leicht. Die Gedanken irgendwo dazwischen.

Morgens um sechs standen wir in der Werft. Wartend. Nervös. Würde das Boot schwimmen? Hielt es noch? Es roch inzwischen nach allem, was eine Reise mit sich bringt. Aber es hielt. Und ja, es schwamm, und hielt ganz. Und dann wieder los. Auf ins Fahrwasser. Segel setzen, oder im Fachjargon: Motor an. Kröslin voraus. Delfine? Nein. Seelöwen? Auch nicht. Aber wir sahen uns. Und das war genug. Geschichten warteten. Wir mussten sie nur noch schreiben.

Und zwischen all dem Wasser, zwischen Steuerbord und Backbord, zwischen Hoffen und Wissen, wurde mir klar: Eine Reise ist nicht gemacht durch Tage. Eine Reise ist geboren durch Momente. Und manchmal ist das nur ein kleiner. Das Warten in der Schleuse, in dem die Welt stillsteht. Das Kitzeln, wenn man auf der Welle steht, bevor der Bug fällt. Wenn die Sonne tief steht, und die Stimmung erst so richtig auflädt. Ein Moment kann so vieles sein, auf See, auf dem Wasser, wo jeder Augenblick vorbeifließt, und doch stehen bleibt.

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