Geschrieben von am 27. Juni 2023

Vom 8. bis 11. Juni 2023 fand auf der Hamburger Außenalster die sechste Auflage des HELGA-Cups, der größten Frauenregatta der Welt statt. Der Ausrichter der Regatta ist der Norddeutsche Regatta Verein (NRV). Gesegelt werden Wettfahrten im Bundesliga-Racingformat auf kurzen Kursen auf Booten der Klasse J/70. In diesem Jahr waren wir auch mit einem ASV-Team am Start. Wir sind die Aktiven Svea Buttgereit (Steuerfrau), Hanna Ruhfus (Vorschiff), Sylvia Krepska (Trimm), Jana Gronau (Springerin) und die Kieler Verbandsschwester Nathalie Hertrich (Taktik). Wir segelten gemeinsam unter dem Teamnamen "RasMusen" - die Musen von Rasmus.

Die Vorbereitung

Das erklärte Ziel des HELGA-Cups ist, Frauen für das Regattasegeln zu begeistern. Zur Vorbereitung wird rund um den HELGA-Cup sehr viel geboten. Im Februar gab es einen HELGA-Cup Vorbereitungsworkshop, an dem die RasMusen auch online teilnehmen konnten. Außerdem gibt es die HELGA-Akademie, zu der sich jede anmelden kann. In kurzen Videos erklären die erfahrenen Regattaseglerinnen Luisa Krüger und Silke Basedow, die auch in diesem Jahr wieder mit ihrem Team den HELGA-Cup gewonnen haben, wie die Manöver auf der J/70 ablaufen, geben Tipps zur Taktik und Strategie, Kommunikation an Bord und Starten. Außerdem traf sich AH Konrad Sagebiel, der schon viele Wettfahrten geleitet hat und somit hervorragend regelkundig ist, gemeinsam mit der HELGA-Cup-Crew und allen Interessierten im März und April zu mehreren Crewabenden und vermittelte mit Hilfe von Fallbeispielen und bunten Zeichnungen auf dem Whiteboard Regelkunde. Dieses theoretische Wissen war pures Gold wert.

Während der Indienststellung 2023 stellt sich Krambambuli, die aus der ASV-Flotte als Beneteau Platu 25 am ehesten an die Eigenschaften einer J/70 herankommt, als Problemkind heraus. Die Diagnose der Bootsbauer: Osmose. Die Behandlung: ein Workout für Indienststeller:innen, Unterwasserschiff abschleifen, rund um den Kiel bis auf das Laminat und ab in den Schuppen zum Trocknen. Das geplante Praxistraining auf dem Schiff war damit hinfällig. Wir machten uns somit auf die Suche nach einem Trainingsboot ...

Das Training

Der Berliner Yacht-Club (BYC), der seit Jahren mit mehreren Teams am HELGA-Cup teilnimmt, richtete im März ein Women-on-Water-Training für die Berliner Seglerinnen aus und lud uns ein, zum Networking-Event und einer Theorieeinheit hinzuzukommen. Die frisch geknüpften Kontakte zu den Seglerinnen vom BYC ermöglichten uns, bei ihrem Training am 1. Mai teilzunehmen und für den Tag eine J/70 der Segelbundesliga zu chartern. Die Boote der Segelbundesliga sind top in Schuss und das Training im BYC ist sehr professionell: Mehrere Boote gleicher Klasse und ein Trainer auf dem Schlauchboot. Trainiert wurden Starts und Luv-Tonnenmanöver. Die J/70 ist leicht zu handeln und schwer zu meistern. Vom Trainerboot aus wurden Fehler sofort gesehen und korrigiert. Obwohl es der erste Tag auf der J/70 war, schlugen wir uns nicht schlecht und konnten durchaus mit den anderen Teams mithalten. J/70 segeln macht Spaß!

Darüber hinaus durften wir auch über das SailNow!-Programm des Vereins Seglerhaus am Wannsee (VSaW) Boote für unser Training chartern. Bei viel Wind auf der Einweisungsfahrt brachte uns Paul vom VSaW bei, wie man den Gennaker in allen Lebenslagen händelt und wie man das Schiff auf tiefen Kursen gleitend segelt. Auf dem Downwind-Kurs unter Gennaker gibt es nämlich zwei Modi:

  1. Bei wenig Wind wird die Fock weggerollt und die Crew sitzt so weit vorn wie möglich, Steuerfrau vor dem Traveller und Vorschiff so weit vorne, wie es die Segelanweisung zulässt.
  2. Bei viel Wind kommt die J/70 ins Gleiten und wird richtig, richtig schnell. Es wird ein etwas höherer Kurs gesteuert, die Fock wird nicht geborgen und das Crewgewicht nach hinten verlagert, sodass die Taktikerin sogar hinter der Steuerfrau Platz nimmt. Schnell J/70 zu segeln macht noch mehr Spaß!

Natürlich werden im Training die Grenzen ausgetestet. Dann schießt die J/70 auch mal in die Sonne, legt sich also doll auf die Kante, luvt an und bleibt stehen. Kicker auf, Fall auf! Und schon richtet sich das Schiff wieder auf und weiter geht's. Die Vorschiffsfrau Hanna stellte irgendwann fest: "Sonnenschuss ist auch nur ein Manöver".

Generalprobe

Am 2./3. Juni, eine Woche vor dem HELGA-Cup, geht's dann auf zur Generalprobe. Wir machten uns auf den Weg zur Alster, wo der Hamburger Segel-Club (HSC) und der NRV ein Women-on-Water-Training ausrichtete. Gesegelt wurde erneut auf den Booten der Segelbundesliga, die in der Zwischenzeit von Berlin nach Hamburg gereist sind. Hier trafen wir auf einige bekannte Gesichter vom Networking-Event in Berlin und auf unsere Verbandsschwestern vom Hamburger ASV. 4

Die Alsterwinde sind an dem Wochenende tückisch, böig und flau. Zwischendurch drehte der Wind um 180°, wir gingen um die Luvtonne, wollten den Gennaker setzen und... Moment, das ist schon wieder ein Am-Wind-Kurs! Die Flotte war größer als beim BYC-Training und für uns eine super Übung, uns beim Start zu positionieren und den Kurs mit vielen Gegnerinnen abzusegeln. Gegnerinnen machen die Sache doch komplizierter. Die Krux: Kommunikation an Bord. Wie lange bis zum Start? Welche Seite ist bevorteilt? Wo sind die Gegnerinnen? Welcher Bug ist Streckbug? Wie weit bis zur Tonne? Wann kommt die nächste Böe? Wann bergen wir den Gennaker? Welches Gate nehmen wir?

Bis wir uns eingegroovt hatten, flogen zwischendurch verbal die Fetzen. Am Ende des Trainings lief es. Beim gemeinsamen Abendessen tauschten wir uns aus und gaben Tipps. Die HELGA-Community ist super offen, man kann alles fragen, und erfahrene Regattaseglerinnen geben ihr Wissen gerne weiter. Am Sonntagabend fuhren wir mit einigen neuen blauen Flecken müde aber zufrieden zurück nach Berlin. Wir waren gespannt, was uns am kommenden Wochenende erwarten würde.

The HELGA heat is on.

HELGA-Cup 2023 - der Donnerstag

Am Donnerstag, den 8. Juni ist es endlich so weit. Wir brechen mittags auf zum HELGA-Cup. Auf der von Stau geprägten Fahrt feilen wir weiter an der Strategie und probieren die frisch gedruckten Team-Shirts, türkis mit Berliner Bär auf der Schulter und "Akademischer Segler-Verein" auf dem Arm, an. Das Outfit stimmt schon mal.

Abends findet das Pre-Opening statt. Hier können letzte Fragen zur Wettfahrt und Ablauf geklärt werden. Es wurde im HSC gegrillt und anschließend mit den HELGA-Bekanntschaften Apérol getrunken. Wir schaffen es uns von der hervorragenden Gesellschaft zu verabschieden. Wie Malte Philipp sagt: Die Vorbereitung der Regatta beginnt bei ausreichend Schlaf.

Der Freitag

Wir sind Freitag als erstes Team im NRV, melden uns an und suchen uns den perfekten Schattenplatz. Von der Dachterrasse des NRVs lässt sich die Alster super überblicken. Die Sonne knallt, doch es weht ein gut segelbarer, relativ konstanter Wind aus N-NE.

Der HELGA-Cup ist eingeteilt in acht Flights, die jeweils aus zehn Wettfahrten bestehen, und ein Finale. Nach jedem zweiten Flight haben alle Teams die gleiche Anzahl an Wettfahrten gesegelt. Pro Wettfahrt segeln sechs Teams gegeneinander. Und jedes Team segelt zwei Wettfahrten, bevor es das Boot an die Folgecrew übergibt. Das erfordert viel Koordination und helfende Hände. Der Blick auf die Pairingliste sorgt für eine Überraschung. Zwei Teams würden uns in jeder Wettfahrt begegnen: Hanne's Five vom BYC, mit denen wir trainiert haben, und ein Team vom Corinthian Yacht-Club aus den USA.

Es werden immer zwei Wettfahrten kurz nacheinander gestartet. Die erste segelt dann den Outer-Loop Kurs und biegt gleich nach der Luvtonne zum Verholer ab, und die zweite Wettfahrt segelt den Inner-Loop, geht also nach der Luvtonne auf den Vorwindkurs zum Gate. Steuerfrau und Taktikerin müssen also nicht nur darauf achten, zur richtigen Zeit am Start zu sein, sondern auch auf dem Schirm haben, welcher der beiden Kurse gesegelt werden soll.

Unsere ersten beiden Wettfahrten sind erst spät am Freitag, am Ende des zweiten Flights, Race 17 und Race 19. Wir bleiben im Schatten, schnacken mit den anderen Teams und verfolgen die laufenden Wettfahrten gespannt auf dem SAP-Tracker. Jana, unsere Springerin, stößt endlich zum Team hinzu und neben familiärerem Support reisen auch die AHs Marion und Bernd Strobel als unsere Fans nach Hamburg, geniessen das Wochenende an der Alster und feuern uns an.

In unserer ersten Wettfahrt im Race 17 starten wir als Letzte. Das können wir besser! Wir schaffen es, bis zur Luvtonne zu Feld aufzuschließen. Nach dem Verholer fallen wir direkt schön tief ab und entscheiden uns für das richtige Gate in Lee. Wir kämpfen uns vor auf Platz 4 und können diese Position bis zum Ziel halten.

Auch in der zweiten Wettfahrt lässt der Start zu wünschen übrig: wieder letzte. Immerhin ist der Abstand zum Feld geringer. Ein Team berührt das Pinnend und muss kringeln. Nach der ersten Kreuz sind wir auf Platz 5. Die vier Schiffe vor uns bekabbeln sich auf dem Verholer und wir können näher aufschließen. Das rechte Gate ist hart umkämpft, wir entscheiden uns also für links und befinden uns auf der zweiten Kreuz auf Platz 3. Der Wind frischt auf. Während die anderen Teams sich in Zweikämpfen verlieren, können wir unseren Vorsprung weiter ausbauen und den Platz 3 bis ins Ziel halten. Mit so guten Platzierungen im Mittelfeld haben wir für unser Regatta-Debüt nicht gerechnet.

Die Stimmung beim HELGA-Cup ist einzigartig. Die Teams fiebern bei sich gegenseitig mit. Zwischendurch diskutieren wir angeregt und holen Tipps von erfahrenen Regattaseglerinnen ein. Im Zentrum stehen der Spaß am Regattasegeln und die gegenseitige Förderung. Freitagabend steigt eine Party, es gibt Wein und Bier in der Open Bar. Alt und Jung tanzen auf den Tischen. Wieder ist es schwer, sich loszureißen. Lass uns am Fuße des Glases gehen? Pustekuchen! Bevor sich Hannas Glas leeren kann, ist es schon wieder voll. Zum Schluss siegt doch die Vernunft.

Der Samstag

Unsere ersten Wettfahrten am Samstag sind Race 38 und 40. Das erklärte Tagesziel: bessere Starts, sonst weiter so! In Race 38 schaffen wir es nicht, das umzusetzen. Auf dem ersten Vorwind schließen wir wieder zum Mittelfeld auf und haben Glück: Zwei Teams biegen nach der Luvtonne falsch ab. Wir verlieren einen knappen Zweikampf um den dritten Platz und werden vierte. Auch im Race 40 will der Start noch nicht richtig funktionieren. Der Wind dreht fleißig, was uns auf der Kreuz Probleme bereitet. Auf der Zielkreuz lassen wir uns von den lauten Protestrufen der Gegnerinnen irritieren. Innenraum zur Zielbahnmarke? Sowas gibt es doch nicht, oder? Nein, natürlich nicht. Konrad hätte sich die Haare gerauft, wenn er gesehen hätte, wie wir, statt die Gegnerin am Zielschiff abzustreifen, wegwenden und das Race als letzte beenden. Lesson learned: schreien die anderen noch so laut, vertrau auf deine Regelkunde.

Die Pause bis zu den nächsten Races 46 und 48 ist nur kurz. Im Race 46 gelingt endlich der Start. Wir gehen als dritte über die Linie. Doch unseren Vorsprung verspielen wir. Der abflauende Wind macht uns zu schaffen. Auf Platz 5 kurz hinter Platz 4 nehmen wir die Luvtonne nach der zweiten Kreuz eng aber ohne Berührung. Plötzlich fährt ein Umpire-Boot auf uns zu: Wir bekommen einen Penalty, weil die Vorschiffsfrau in Lee in der Reling des Bootes hängt. Etwas kleinlich. Wir kringeln, und die Chance, sich nach vorne zu kämpfen, ist somit verspielt. Ärgerlich! Fortan sind alle sehr darauf bedacht, die Reling in Lee ja nicht mit dem Hintern zu berühren. Auch im Race 48 gelingt uns der Start. Wir gehen sogar als erste über die Linie! Leider ist die Freude über diesen Erfolg ein bisschen zu groß, und wir verspielen diese Position auf ganzer Linie auf dem Kurs. Aufholen können wir, aber wie verteidigt man gut nach hinten?

Samstagabend frischt der Wind noch auf, sodass die Wettfahrtleitung sich entscheidet, die für Sonntag geplanten Races schon am Samstag zu starten. Wir sollen ein weiteres Mal segeln. Doch unser Boot will einfach nicht am Wechselpunkt auftauchen. Schließlich sammelt uns das Repair-Boot ein, legt den "Hebel on the Table" und bringt uns mit Vollspeed Richtung HSC, wo die Vorcrew schon mit dem Abbauen begonnen hat. Wir haben nur wenig Zeit zum Checken. Die Pumpe geht, wir müssen uns zum Start beeilen. Moment, das Großfall ist nicht fest! Und oje, am Gennaker ist Blut! Bevor wir beides klarieren können, ertönt das Vorbereitungssignal. Aufgrund der Hektik stehen wir unter Adrenalin, und trotzdem will plötzlich im Race 61 alles klappen. Der Start ist gut, alle Manöver funktionieren ohne Probleme und der Wind dreht immer genau so, wie wir es in diesem Moment gebrauchen können. Wir liefern uns auf der Zielkreuz sogar einen Zweikampf um Platz 2 und werden Dritte. Unsere Lernkurve an diesem Tag ist richtig steil und wir sind richtig zufrieden mit unserer Leistung. Das muss gefeiert werden.

Der Sonntag

Am Sonntag fahren wir nur noch ein letztes Race kurz vor dem Finale. Heute haben wir nicht so viel Glück mit dem Wind. Es ist flau und die Wettfahrten gehen schleppend voran. Immer wieder muss die Wettfahrtleitung den Kurs neu auslegen. Startverschiebungen und abgebrochene Wettfahrten sind keine Seltenheit. Bei unserem letzten Start bildet sich ein Pulk und wir sind mittendrin. Wir können uns daraus befreien, kämpfen uns vor und halten zwischenzeitlich Platz 2. Leider bergen wir den Gennaker zu früh. Nochmal Setzen und später wieder bergen hätte zu lange gedauert und so sehen wir zu, wie das Boot hinter uns mehr und mehr aufschließt. Wir kommen gleichzeitig auf der Zielkreuz an, wir leider deutlich langsamer. Wir verlieren den Zweikampf. Mist! Trotzdem gute Leistung auf Platz 4. Fürs nächste Jahr möchten wir Zweikämpfe trainieren.

Das Finale

Im Finale schauen wir den Profis zu. Viele Bundesliga- und Matchrace-Seglerinnen liefern sich ein spannendes Rennen. Gewonnen hat am Ende das Team Stiftung Mammazentrum mit Steuerfrau Silke, die uns beim Women-on-Water-Training trainiert hatte. So wollen wir auch mal segeln können. Am Ende landeten wir auf Platz 42 von 58, punktgleich mit Platz 41. Wir sind mit unserer Leistung und vor allem der Steigerung sehr zufrieden und im Regattafieber! Für uns ist klar: Im nächsten Jahr sind wir wieder am Start, am besten zusammen mit weiteren ASV-Teams. Der HELGA-Cup soll im ASV Tradition werden.

Etwas wehmütig, dass das HELGA-Cup 2023 Abenteuer nun zu Ende geht, verabschieden wir uns von den anderen Teams, die über das Event zu Freundinnen geworden sind, und machen uns nach der Siegerinnenehrung mit Muskelkater und neuen blauen Flecken auf den Heimweg nach Berlin. Im Rückspiegel eine J/70 vom VSaW, die wir mit dem Hänger zurück nach Berlin bringen. Auf der Fahrt träumen wir von einer J/70 im ASV-Bootspark und von der nächsten Frauenregatta, vielleicht im Oktober in der Schweiz oder im März in Monaco?

Fortsetzung folgt...

Wir möchten uns herzlich bei allen bedanken, die das Projekt HELGA-Cup mit ihren großzügigen Spenden für uns möglich gemacht haben oder uns durch den Kauf von Merchandise unterstützt haben. Durch eure Unterstützung konnten wir unser Training finanzieren, ganz viel Lernen und jetzt dieses Wissen weiter in den Verein tragen. Vielen Dank!

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