Schiffsführung: Wolfgang, Thomsen, Svea
Stb-Wache: Hensche, Riccardo, Carlo
Bb-Wache: Thole, Mareike, Lara, Jonathan
Verfasst am 2.9.2022
In den vergangenen Tagen waren wir mehr mit Segeln und weniger mit Schreiben beschäftigt. Und die Zeilen, die es dauerhaft auf die Bordfestplatte geschafft haben, haben den Absprung in die Veröffentlichung nicht rechtzeitig geschafft. Dennoch wollen wir euch unsere Reiseerlebnisse nicht vorenthalten.
Die Aktivencrew, Altersschnitt 27 Jahre, hat das WALROSS 4 am vergangenen Sonntag unter Schiffer Wolfgang übernommen. Im Inventar waren bereits zwei junge Männer, die die Vorcrew zurückgelassen hat. Noch am Sonntag werden die Lebensmittelüberbleibsel der Vorcrew aufgestockt; in Seebädern wie Sassnitz kann man auch sonntags einkaufen. Dazu werden kleine Reparaturen am ansonsten ordentlichen Schiff begangen. Außerdem: Vorkochen, für drei Tage. Solch einen Proviantmeister kann man sich nicht ausdenken! So legen wir am Montagmittag nach Sicherheitsbriefing ab. Im Logbuch steht "Ziel: Norden" (Disclaimer: damit liegen wir nicht schlecht).
Die Ostsee begrüßt uns mit Kabbelwellen und Nieselregen, wir revanchieren uns mit einem großen Schluck Sherry für Rasmus und Klärchen sowie mit weiteren, zum Glück spärlichen Opfergaben. Sofort gehen wir ins Wachsystem über und grooven uns unter G4 und dem ersten Reff ein.
Wir segeln von Süd gen Nord. Der Wind leider nicht, so sind für uns von Anfang an maximal leicht geschrickte Schoten drin (an dieser Stelle hätte Microsoft Word gerne „geschickte Schoten" stehen – wie dem auch sei). Was die eine Wache einrefft, refft die andere Wache aus. So geht das bis zum Öresund, wo wir zur ersten Mitternacht unter Bronzefock die Brücke passieren und bis vor Malmö durch die Nacht motören. Das Boot, das Boot, das Boot hat keine Bremsen.
Im Kattegatt geht es wie gewohnt weiter: Wenn die eine Freiwache in den Schlaf gelullt wird, probiert die andere Freiwache Null-Schwerkraft-Flüge in der Koje. Die Welle macht wirklich keine Freude, und wachfrei sein wird zur Last.
Hinter Skagen biegen wir ab, schließlich werden Wellen und Wind etwas weniger. Wir wechseln auf die G3, und später locken Winddreher sogar den Code1 aus der Segellast. Die Freude ist nur von kurzer Dauer. In den Nachmittagsstunden entfällt der Wind an der norwegischen Südküste bis auf das Sturmtief Riccardo vollständig; die Segel werden gestrichen. Die Crew fläzt lesend auf den geborgenen Segeln oder lauscht der Motorenstunde von Thomsen.
Später frischt der Wind wieder auf und dreht, wie es sich gehört, auf die Nase und wir dürfen endlich wieder kreuzen. Die Kombination aus Strom und 15 kn Wind schaffen einen ausgeprägten Vollmilchschokoladenseitenbackbordbug mit smoothen 9 Knoten auf der Logge, der Zartbittersteuerbordbug hingegen schüttelt das WALROSS 4 und seine Crew, und die Logge schaut betroffen drein. An Schlaf ist nicht zu denken. Den Rudergängern der Nachtwachen müsste man mit Streichhölzern die Augen aufhalten, die haben wir leider nicht gebunkert.
So krabbeln wir die norwegische Westküste entlang, bis Stavanger in Reichweite erscheint. Es scheint ein geeigneter erster Hafen, den wir sogar noch in den Abendstunden erreichen könnten. Ein letzter günstiger Westdreher schenkt uns einen Anlieger, und im Sonnenuntergang erreichen wir den Stavanger-Fjord. Segel werden geborgen, als es uns zu eng wird, und um 2300 MSZ gehen die Leinen im Gästehafen über. Die vermeintliche Ölplattform nebenan entpuppt sich als das Nationale Erdölmuseum. Wir erfreuen uns des festen Grunds unter den Sohlen und des Shampoos in den Haaren. In den vergangenen 82 Stunden haben wir 545 nm zurückgelegt (avg. 6,64 kn). Doch schon der nächste Tag (Samstag, 3. September) verspricht die nächsten Abenteuer; kurz nach Mitternacht wird das letzte Licht gelöscht.
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