Geschrieben von am 6. Juni 2022

Um Punkt 0700 MESZ sitzen Schiffer, Taktiker und Steuermann im Regattazelt und warten mit kleinen Augen auf das Wetterbriefing. Alle sind da, nur der Meteorologe nicht. In den kommenden 30 Minuten müssen wir uns von einem bekannten Segler aus Kiel anhören, dass wir ja nicht gerade sehr fit aussehen würden. Wir nennen das Energiesparmodus während der Wartezeit – oder das Ergebnis einer ausgiebigen Feierei am Vorabend mit den weiteren Nordseewoche-Teilnehmenden bei der ersten Preisverleihung.

Aber dann startet endlich die Berichterstattung über das Wetter. Es wird von einem Tief über den Benelux-Staaten berichtet und dass alles noch sehr unsicher sei. Alle Informationen werden anschließend in Papierform ausgehändigt (auch die der eigentlichen Steuermannsbesprechung) – wir gehen also wieder zurück in den Energiesparmodus und zurück zum Schiff. Hier werden bereits fleißig Brötchen für den anstehenden Tag geschmiert und WALROSS klariert. Unser Start ist erst um 1020. Wir können also halbwegs entspannt frühstücken, bevor sich das Päckchen, in dem WALROSS liegt, langsam auflöst.

Eine Stunde vor dem Start treffen wir im Startgebiet ein. Noch genügend Zeit, um uns einen kleinen Vortrag von Carlo über die geographische Geschichte von Helgoland anzuhören. Der Name „Lange Anna“ für den komischen Felsen im Nordwesten der Insel soll angeblich von einem transvestitischen Charakter aus dem Drama „Wupper“ von Else Lasker-Schüler herstammen. Egal, für uns geht’s in die Vorstartphase!

Wir teilen uns die Linie zwischen der Hauptinsel und Düne mit dreißig Booten aus ORC1, ORC2 und einigen Klassikern. Diesmal verschätzen wir uns etwas und kommen mit einem Anlieger und Strom von achtern deutlich nach dem Startschuss über die Linie. Es geht aus dem Helgoländer Fahrwasser heraus nach Südosten. Kurz vor der Bahnmarke entscheiden wir uns, dem Beispiel der führenden Schiffe zu folgen und den Spigang auf Steuerbordbug ohne vorherige Halse zu beginnen. Mittlerweile sind wir so gut eingespielt, dass das Geschirr rechtzeitig umgebaut ist – nur der Spi ist leider noch nicht auf dem Vorschiff. So setzen wir hier den Spi nicht direkt an der Bahnmarke, aber dafür ohne Probleme. Auf dem recht langen Schenkel in Richtung Westen können wir einige Schiffe der anderen Gruppen überholen, aber auch Strecke auf Teile der direkten Konkurrenz gut machen. Vor dem Schenkel nach Norden bergen wir den Spinnaker zu früh – bzw. das Manöver geht deutlich schneller als gedacht (wir sprachen schon über die gut eingespielte Crew). Der nun folgende Anlieger wird nur beinahe nur für uns zum Nahezu-Anlieger. Andere Schiffe hinter, vor und neben uns können deutlich mehr Höhe laufen. Der Genuaholepunkt an Deck ist leicht zu weit achtern. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, das Ganze unter Last zu verstellen. Da wir in den nächsten Meilen keine Wende fahren (es ist ja ein Nahezu-Anlieger), müssen wir uns eine andere Mimik einfallen lassen. Das gelingt uns … leider erst relativ kurz vor der folgenden Bahnmarke.

Egal, wir wenden auf den nächsten Nahezuanlieger (diesmal nicht nur für uns) und können jetzt recht gut mit den anderen vergleichbaren Schiffen mithalten. Nach einer weiteren Bahnmarke wird pünktlich der Spi gesetzt. Unsere Kommunikation wird auf ein Minimum heruntergefahren: „Trim … Hold … Trim … Hold“. Alles andere läuft schon relativ selbstständig. Die gestrige Diskussion über Zuständigkeiten und notwendige Abstimmungen hat zu einer spürbaren Performanceverbesserung und zu deutlich weniger Reibereien im Segelbetrieb geführt. Wir scheinen langsam zu wissen, wer was wann wie zu tun und auch zu unterlassen hat.

Eine weitere Bahnmarke später kommt auch endlich unser Jockey-Pole zum Einsatz – er funktioniert tatsächlich, auch bei einem TWA jenseits der 110° – und wir rauschen der letzten Bahnmarke vor dem Ziel entgegen. Unseren anfänglichen Unglauben über den funktionierenden Jockey-Pole und die anschließende überschwängliche Freude könnt Ihr euch sicher vorstellen. Erneut läuft alles reibungslos und jetzt auch zeitlich gut eingetaktet. Den Zieldurchgang begreift nur ein ausgewählter Teil der Crew. Die restliche Crew hängt weiter hochkonzentriert auf der Kante.

Erst nach einiger Zeit wandert das Grinsen über unsere Gesichter nach diesem erneut wunderbaren Segeltag. Nun wechseln wir erneut in den Energiesparmodus und sind gespannt auf den morgigen Regattatag, an dem wir nachmittags auch nach Rund Skagen starten.

In dem heutigen Plenum gibt es nur noch wenige Kritikpunkte und die sind auch bereits nahezu allen bekannt. Die Ergebnisliste gibt uns recht: uns fehlen zwar immer noch 19 Minuten auf den Tagessieger unserer Gruppe (der XP44 XENIA), aber die uns schon aus Wedel bekannte BROADER VIEW ist verrechnet nur dreieinhalb Minuten vor uns. Wir sind 8. von 11 in unserer Gruppe gestarteten Schiffe und mehr als zufrieden mit unsere heutigen Leitung.

Mal schauen, was der Montag bringt.

Zusatzinfo zu Rund-Skagen

Für die kommende Langstrecke der Nordseewoche, die Rund-Skagen-Regatta (ab 6. Juni 2022), steht ein eigener Tracker zur Verfügung, mit der die aktuelle Position von W4 und der Konkurrenten abgerufen werden kann. Zu finden unter https://www.pantaenius.com/de-de/insights/pantaenius-rund-skagen/rund-skagen-2022/.

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