Geschrieben von am 12. Juni 2019

Sonntag – runter vom Berg und weiter zum nächsten Eiland
Stromboli - Salinas

Just als Luna, im glutspeienden Stromboli zu versinken scheint - liebevoll die Vereinigung genannt - zeigt sich am östlichen Horizont über dem Küstenstreifen Kalabriens ein feuriger Streifen und in strahlendem Glanz erhebt sich die Sonne, Helios der Retter ist da. Physikalisch ist hier ein Zusammenhang nur schwer zu erklären, doch wer will in diesem Archipel der Götter die plumpen Erklärungsversuche der Menschen höher hängen als die Faszination und Demut vor dem Farbenspiel der äolischen Inseln. Aeolus, der alte Gott des Windes ist Namenspatron und Hausherr dieser 7 Eilande, also galt ihm der Gruß und die ersten Tropfen des Anker-Auf-Manöverschlucks. Rum morgens um 6! Wir wollten nicht, wir mussten. Denn die Tradition will geehrt sein und der Portwein war schon lange alle. Westlich rund zurück nach Süden, entlang an der sciara del fuoco, wo die anderen Windinseln uns erwarteten und noch einiges für uns bereithalten werden.
Vorbei an Panarea mit ihrer südlichen Ankerbucht, wo wir vorgestern Blut und Feuer darbrachten und lernten, dass trockener Bambus hell aber nur kurz im Strandfeuer auflodert und Flaschen mit Schraubverschluss nicht mit dem Korkenzieher zu öffnen sind. Der Geschmack von Schrimps und Fisch vom Bugkorbgrill ist noch in unseren Mündern und das Feuer brannte bis zum Sonnenaufgang. Hier will man jetzt schon wieder hin zurück.
Wind aus Nordwest – Halbwind nach Südwest mit Welle von achtern. Surfen mit dem Walross muss erstmal gelernt werden.
Auf nach Salinas, die wie Jim Knopfs Lummerland aussieht. Eine Insel mit zwei Bergen. Der Westhafen Santa Marina de Salinas, berüchtigt und gefürchtet für seine plötzlichen Fallwinde empfängt uns ruhig und gelassen, der Hafenmeister hingegen scheint weniger so, als er uns einen Liegeplatz 10 Boxen vor den 5 anderen Seglern an der Kaimauer zuweist und ist dann sichtlich erstaunt, als wir perfekt römisch-katholisch mit dem Heck ankommen, beide Achterleinen auf Slip legen, darin eindampfen und flugs beide Moorings, voraus im Hafenbecken am Grund mit Steinen befestigt vorlich auf die Klampen werfen – saugend schmatzend. Unsere Ankündigung als sailtraining yacht Walross 4 mit ordentlich Tiefgang hatte ihn wohl besorgt aufhorchen lassen. Warum würden wir morgen sehen. Schnell war das Schiff klariert und die Mannschaft landfein, denn der Hunger war groß und der Sonntagabend in diesem kleinen Ort versprach nicht gerade reichlich Auswahl. Da eh allen der Sinn nach Pizza stand war es aber kein besonderes Glück, dass wir noch genau ein Restaurant fanden, dass zwar eigentlich in 5 Minuten hatte schließen wollen, aber dann noch gerne den Umsatz, den 7 ausgehungerte Seemänner und -frauen versprachen mitnehmen wollte. Die Sicht war aber etwas getrübt von der grellen LED-Innenbeleuchtung der meerzugewandten Loggia, also baten wir um Verdunkelung. Der bemühte Wirt stellte gleich sämtliches Licht im Saale aus und brachte uns alle Kerzen, die er hatte. 2 Stück! Sofort war der Blick auf den silbrigen Mond über Liparis edle Rückseite (hier haben die Reichen und Schönen ihre Urlaubsdomizile, angeblich auch die Bundeskanzlerin) malerisch und wir waren heilfroh, dass der Mond den Sturz in den Vulkan anscheinend überlebt hat. Es fehlte nur eine kleiner Streifen wie im Dunkeln gut zu sehen war.
Nicht gut zu sehen war allerdings das leckere Essen im Lichte nur zweier Kerzen. Prompt aß der eine des anderen Pizza und beschwerte sich über die salzigen Sardellen die er gar nicht bestellt hatte, die ein anderer auf seiner aber vermisst und sich gleich eine neue Pizza kommen ließ. Satt wurden wir trotzdem vom äolischen Salat und den Eindrücken des Tages. Ab in die Kojen. Naja, nicht direkt. Da wir weit ab von den anderen lagen konnten wir guten Gewissens noch schnell des Nachts eine spontane Tanzparty an Deck starten und die Boys und die Girls schüttelten die schweren Bergbeine der letzten Nacht aus. Die 900 Höhenmeter auf den Vulkan rauf und runter spürte man dann doch.

Montag – Landgang mit Weinprobe auf Salinas

Der nächste Morgen brachte kaum Wind und die knapp gepackten Klamotten hatten nach einer Woche langsam den Geruch des Meeres angenommen. Also Landtag mit Waschgang. Auch die Walross bekam ihren Anteil Frischwasser. Der Stromboli hing in kleinen, schwarzen Ascheteilchen die Füße und Wind über das Schiff gebracht hatten in jeder Ritze. Also drei T-Shirts aus, den Schlauch-Boy an Deck instruiert und die Außenhaut bis zur Wasserlinie geputzt. Während wir um die Wette schrubben passiert dann, was der Hafenmeister uns zugetraut hatte. Gleich der erste Segler der vom schwachen Wind enttäuscht reinkam dreht sich die Mooring des Nachbarn in die Schraube. Wehe dem der die Größe seines Hinterteils nicht kennt und damit aneckt. Er wird es genau dort zu spüren bekommen. Aufruhr im Hafen und Rufe auf Italienisch, Russisch, Deutsch und Finnisch. Wir werden zur Hilfe mit dem Dinghi gerufen. Der gerade frisch geputzte Vergaser lässt den Motor endlich sicher und schnell anspringen und wir gleiten zur Assistenz heran. Die Crew des Havaristen steht auf Deck und weiß nicht was ihnen geschieht. Der Hafenmeister aber kennt das schon und hat die Mooring schnell aus der Schraube und den Amateur festgemacht. Warum macht man also immer zwei Moorings fest? Nicht nur weil man es zur Vierpunktstabilisation braucht. Immer kann jemand kommen und dir eine wegpropellern.
Am Nachmittag wandern wir auf Grund der Ortskenntnis des Don Rainer in den Nachbarort und die Dame und die Herren lassen sich vom Enkel des Weingutgründers, der den neuzeitlichen Ruhm des typischen Malvasia Likörweins begründet, in die Reeben des Archipels einführen. Iancura – wenn die See so glatt ist, dass kein Strich mehr das Wasser vom Himmel trennt, Hierá – die Asche der Vulkane und natürlich „Carlo Hauner“ sind die Namen der roten und weißen, bevor der goldene Malvasia in kleinen Gläsern kommt. Meditationswein nennen ihn die Winzer hier und wir sitzen und reden länger als alle anderen Gäste, bis die Einheimischen kommen und den Tag beenden. Natürlich auch bei einem Glas Malvasia.
Im Stechschritt zurück und im Ausfallschritt in den kleinen Laden am Hafen, damit der nicht vor unserer Nase zumacht und wir noch schnell bunkern können. Einzig die Einkaufsliste hat gebummelt, also kaufen wir nach gusto. Mehr Tomaten und besseres Olivenöl und Labskaus fliegt vom Speiseplan.

Dienstag – Manövern bis der Vulkan kommt

Spät ruft uns Aeolus aus den Kojen. Erst gegen 11 lohnt sich, dass der Smut die Kaffeekannen belegt und Croissants eingeholt werden.
1145 vorschriftsmäßiger Ableger: Lee Mooring fällt, Lee Heckleine fällt, Luv Mooring und Heckleine frei und über zusammen und raus. Der Hafenmeister winkt und freut sich bestimmt die Walross mal wieder zu sehen. Kurs Süd.
Boje über Bord Manöver in allen Variationen. Q-Wende, Halse, Nahezuaufschießer, unbeabsichtigte Verzweiflungs-Quick-Stopps sind dabei. Wir Manövern so lange bis jede Frau und jedes Männchen mal am Steuerrad war. Schwupps ist Vulcano auch schon an uns vorbei und in Luv, also südlich drum herum. So sehen wir die ganze Insel und zwar sehr genau, weil langsam gesegelt wird. Da aber der Weg das Ziel ist, sind wir eh schon da wo wir sein wollen. Seil langsomt.
1845 im Hafen von Levante und dem Festmachen (/r) Freimanöver, dass doch zum Gruppenevent wird. Der Felsen über dem schwefligen Freibad ist leider abgesperrt, damit Touristen die fragilen Kristalle nicht endgültig zertreten. Zäune und scharfe Augen schützen sie. Wir sind natürlich keine Touristen.

Mittwoch - Es stinkt und qualmt bei Venus und Mars und die Rache der Quallen

Der Tag beginnt mit langem Freigang und jeder und jede macht wonach der Sinn steht. Es gibt genug zu sehen und zu tun. Luigi, der eigentlich Andreas heißt und Quads und Scooter vermietet gibt uns den entscheidenden Tipp, der den zweiten Teil der Tagesplanung umwirft. Er erzählt uns von einer sagenhaften Bucht, die nur vom Wasser aus erreichbar ist und eigentlich in keinem der heutigen Reiseführer steht. So geht die Sage: Vulcano, der Schmied der oben im Berg wohnt, dem Berg, nach dem weltweit alle rauchenden und rumpelnden Krater benannt wurden, hatte eine recht schöne Frau: Venus. Vorbei kam ein wahrscheinlich ebenfalls recht attraktiver junger Mann namens Mars, der nix besseres zu tun hatte als Venus zu verführen. Nun ist es wahrscheinlich nicht ganz einfach die Frau eines Gottes zu verführen, selbst wenn man selbst einer ist, also muss man schon was bieten. Einen Kreis aus Vulkangestein in einer perfekten Bucht mit einer blauen Grotte groß wie eine Trieme zum Beispiel. Klang also nach einem Ort, den wir suchen sollten. Das Internet verriet uns nichts, also mussten wir in ungefährer Richtung suchen mit Fernglas und Adleraugen. Die erste Bucht sah gleich vielversprechend aus, aber der Felsen in der Mitte störte. Das war nämlich der Felsen der Sirenen, aber das ist eine andere Geschichte. Also weiter gesucht und zwei Buchten weiter fanden wir, was wir suchten – die Badewanne der Venus. Den Anker drei/vier Mal auf und abgenommen, bis er richtig und sicher saß.
Schwimmen, klettern, erforschen war der Rest des Tages. Und viele, viele Quallen. Kaum jemand kam so ganz ohne Quallenbiss davon, aber die letzte Rache der Medusa kam erst im Sonnenuntergang beim Anker auf. Nach wenigen Metern fing der Motor an zu rauchen, gar zu kochen und das Schiff war unklar. Schnell war das Große gesetzt und das Walross sicher im Fahrwasser, denn die Besatzung hatte schon sehr anständig zueinander gefunden. Die Medusa hatte sich in den äußeren Kühlkreislauffilter geschlichen, diesen verstopft und damit wohl eine Keilrippenriemenkettenreaktion ausgelöst. Infantil aber effektiv, um uns zu bestrafen. Aber nach kurzer Reparatur und Kontrolle der Hauptmaschine Kurs Ost abgesetzt und noch einmal an Lipari vorbei gefahren, um schließlich zum Übergabehafen an Siziliens Küste zu kommen.

Donnerstag – zurück durch die Straße von Messina nach Taormina

Die ganze Nacht durch wenig Wind und viel Verkehr. Selbst die fliegenden Kakerlaken, wie die Crew die schnellen Fähren zwischen den Inseln getauft hat, gleiten in irrer Geschwindigkeit auf ihren Tragflächen herum. Zum Glück ist irgendwann das AIS auch wieder an und zeigt realistische Informationen an. Zwischenzeitlich zeigte es uns zur Erheiterung der WhatsApp Aktivengruppe vor der Küste Nigerias.
Im Sonnenaufgang durch die Straße von Messina. Diesmal an Charibdis, der sagenumwobenen Untiefe aus der Odyssee Odisseus´ mit etwas respektvollerem Abstand vorbei, so dass die plötzliche 4 Meter Tiefe diesmal nicht erscheint. Leider auch keine der imposanten Wasserstrudel, aber 3 Knoten Strömung. Gegenüber grüßt Scilla (Fl.W.5s) und Delphine umspielen das Boot während wir mit über 9 Knoten SOG durch die Fährlinie zwischen Messina und Reggio düsen.
Gen Mittag ankern wir vor Taormina, dass dank eines kunstvollen G3-hoch-Manövers - über das hier nicht weiter gesprochen werden soll - wie sagt Hein immer: „Lieber eine schneidige Havarie, als ein popliges Manöver.“ Beides nicht eingetreten, dafür aber die Zeit vergessen und eigentlich schon an Taormina gedanklich vorbei navigiert.
Taormina begeistert mit Baudenkmälern, Kultur und engen Gassen und einen malerischen Blick auf den Ätna. Auch Goethe wandelte hier, aber sein Weg ist zugewachsen und nicht mehr begehbar. In den Gärten üben wir sizilianische Konversation. Es kommt nicht auf den Inhalt, sondern auf die Haltung an. Obwohl jeder und jede aus der Crew eigene Wege geht, treffen wir uns ständig wieder. Zwei waren hoch hinaus. Einer hatte Franz Josef Strauß gefunden, einer zwei Orangen für 2,50 € erworben. Langsam zieht es uns nach der letzten durchsegelten Nacht (ja, es kam noch Wind von überall her) zurück an Bord. Kommunikation ist manchmal alles. Ja, es reicht nicht am Strand zu sitzen und zu hoffen irgendjemand von den anderen wird schon an Bord Bescheid gesagt haben, dass wir gerne mit dem schlappen Will abgeholt werden wollen. Es muss auch jemand machen.

Freitag – zu viel Aufzuräumen in Catania

Früh um 0532 Anker auf, um nach Catania unserem Übergabehafen zu gehen. 10 Anleger später und immer noch keine Tankstelle gefunden. So ein großer Hafen hat keine Tankstelle? Ja! Und die Marine Supplies haben auch alle noch Siesta. Walross putzen, Segellast klar machen, Motorservice kommt – der Tag ist vorbei, die Arbeit gefühlt nie. Ist halt kein Ponyhof, entscheidet man sich auf dem Walross 4 zu segeln.
Abends zum Captains Dinner am Platz neben dem Theater (es läuft die magische Flaute, oder so ähnlich) gespeist wie es sich in Italien gehört. Stundenlang. Drinks im Künstlerviertel San Berillo Destrict - Monte Mule und Amaro Dream heißen Sie. Dann Sachen zu Ende packen, denn die ersten Flieger nach Hause gehen schon Samstag sehr früh.
Zitat eines Gastes: „ Die ganze Crew, Seemänner und Seefrauen, es war eine Ehre mit euch zu segeln. Der Dank geht an Jung und Alt, an Erfahrene und Lernende. Der ASV steht für gute Seemannschaft und es war eine Freude den Spaß, die Momente, die Fehler und den Zauber zu teilen. Farewell und Seil langsomt. “
Die Übergabe an die nächste Crew gestaltet sich aufgrund des guten Zustandes recht aufgeräumt, klar und wird mit Handschlag und einer Flasche Pironi abgeschlossen.
Schöne Seereise ex!

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