Aus der Sicht des Prüfungskandidaten
All night, all day – The Commission is watching over me, I know.
Die Außenhaut geputzt, die lose Niedergangsstufe befestigt, eine Mimik für den kaputten Achterstagspanner gebaut, die Klopumpe kaputt und gleich wieder heile gemacht, das Deck geputzt, die Creweinteilung für alle erdenklichen Manöver durchgeplant, das Essen für einen Tag mit zwölf Menschen vorbereitet. „So kann die Prüfung beginnen!“, dachte ich am Samstag (15.09.) kurz vor 09:00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein und langsam einsetzendem Westwind.
Die Prüfungskommission kam an Bord der „Prosit IV“. Sie wünschten mir viel Glück und uns allen einen schönen Segeltag, bevor sie unter Deck verschwand, um kurz darauf mit Müll wieder an Deck zu kommen. Dieser lag wohl irgendwo in der Bilge. Okay, ich hatte nur das Bodenbrett über dem Pumpensumpf geöffnet, um die Trockenheit des Schiffes zu überprüfen. Nein, die Bilge hatte ich nicht geputzt. Mit einem kleinen Rüffel startete ich natürlich „gerne“ in die Prüfung.
Die Crew und ich bekamen dann 45 Minuten Zeit, bevor wir einen Regattastart aus der Scharfen Lanke (Halbwindstart) absolvieren sollten. Ich ließ die Genua anbauen und wir legten ab. Nachdem alles klar war, wurde die Genua gesetzt, und in langen Schlägen durchquerten wir sinnlos die Scharfe Lanke. Die bereits ewig vor dem Start gesetzte Genua verhinderte schnelle und einfache Wenden, sodass ich die Manöveranzahl auf ein Minimum reduzierte. Dies minimierte natürlich auch die Regattastartvorbereitung. Diese fand quasi nicht statt und mindestens eine Minute nach dem geplanten Start überquerten wir die Linie. Dies war der nächste Euphoriedämpfer.
Wie mir später berichtet wurde, dachten hier bereits einige in meiner Crew, dass alles gelaufen wäre. Für mich setzte sich dieser Gedanke durch, als ich von der Prüfungskommission auf das für den geplanten Einsatz des Besanstagsegels abgebaute und dann vergessene Achterstag aufmerksam gemacht wurde. Das zwischenzeitlich durchgeführte Bojenmanöver war bis zum Fischen der Boje passabel. Danach wollte ich jedoch „durch den Wind gehen“, um weiter Kurs Süd zu fahren. Dieses Manöver misslang dank einer nicht vorhergesehenen Böe, und wir überfuhren fast den vor uns durchfahrenden Schleppverband. Für den Versuch gab es einen weiteren Rüffel.
Nun ging es aber südwärts. Es flogen ein paar Bojen und eine Lifeboje. Bei den Bergemanövern gelangen mir nur unsaubere Aufschießer. Es wollte einfach nichts so recht klappen. Immerhin konnten die Objekte immer im ersten Anlauf geborgen werden. Damit auch meine Bootsfrau „endlich“ wieder einer Aufgabe nachgehen konnte, wurde erneut das Besanstagsegel vorbereitet und nun auch gesetzt. Endlich ein gelungenes Manöver. Wobei dieses natürlich nur zweitranging „mein“ Manöver war.
Nach dem Bergen des Besanstagsegels sollte ich mein Können beim Segeln ohne Pinne unter Beweis stellen. Startschwierigkeiten trieben uns gefährlich nahe an das östliche Havelufer. Als dann endlich das Großsegel geborgen war und wir uns wieder im Fahrwasser befanden, flog auch schon die Boje. Einige Schiffe mit Wegerecht zwangen mich immer wieder zum kurzzeitigen Hinauszögern meiner geplanten Wegstrecke. Letztendlich erreichten wir das Ziel aber problemlos. Ich fand zwischendurch meine Selbstsicherheit wieder (zumindest in Teilen).
Unter Nutzung der Pinne und eingerefftem Großsegel, wie gesagt, meine Bootsfrau sollte auch etwas zu tun haben, segelten wir Richtung Imchen. Das auf dieser Strecke ausgeführte Lifebojenmanöver konnte schon mehr überzeugen. Meine neue Aufgabe war das Durchkreuzen der Imchenenge. Gegen den Wind durch eine Enge, die in an den engsten Stellen etwa zweimal so breit wie „Prosit IV“ lang ist. Wieder lief es alles andere als gut. Rückwärts segelnd brach ich den ersten Versuch ab und startete mit gleicher Besegelung und gleicher Taktik sofort den zweiten Anlauf. Erst am Montag lag ich dort bei einer Wassertiefe von nur 30 cm mit unserem Arbeitsboot, dem Stoßboot „Harry“, auf Grund. Jetzt blieben Grundberührungen aus, auch die Sperrgebietstonne berührten wir am Ende nicht und konnten unter dem Blitzlichtgewitter der an Land stehenden Besucher*Innen des Imchen-Festes die Enge durchkreuzen. Mir und dem Schiffsführer fielen ein Stein vom Herzen. Schöne Segelei sieht aber definitiv anders aus. So sollte ich nach einigen weiteren Aufgaben das Ganze widerholen. Aber dieses Mal richtig!
Also ließ ich das Großsegel ausreffen, um mit der größeren Segelfläche auf den kurzen Strecken zwischen den Wenden schneller beschleunigen zu können. Auch versuchte ich es dieses Mal mit Klüver, den ich während des vorherigen Anlaufes als Problemquelle identifizierte und bergen ließ. Was soll ich sagen? Es klappte und das ziemlich problemfrei. Als bereits die engste Stelle passiert war, sorgte ich nochmals für Aufregung in der Prüfungskommission, da ich nun recht nahe an das Ufer von Imchen fuhr. Ihrer Meinung nach war es hier zu flach für „Prosit“. Ich hatte die Tiefen am Montag jedoch ausgelotet und wir hatten erneut keine Grundberührung. Zum Glück, schließlich habe ich mit diesem Schiff noch nie „festgesessen“.
Ich konnte also überzeugen und durfte meine Prüfung fortsetzen. Neuer Kurs: Scharfe Lanke. Zuvor sollten noch der Gennaker und das Besanstagsegel in der Großen Breite gesetzt werden. Dies gelang reibungslos. Vom Bergen kann dies jedoch nicht behauptet werden. Mangelnde Absprache führte dazu, dass der Gennaker kurze Zeit fast achtern auswehte, schlussendlich aber doch geborgen werden konnte. Eine anschließende Besprechung offenbarte, dass es bei den drei Schiffern der Kommission drei verschiedene Ansätze zum Segelbergen gab. Ich hatte noch einen vierten Ansatz. So arbeitete jeder an der Ausführung seines Ansatzes und das Ergebnis habe ich ja bereits beschrieben. Dies führte mir nochmals die Wichtigkeit vorheriger Manöverbesprechung vor Augen.
Von meiner Crew kam nun immer häufiger der Ruf nach Essen und einer kurzen Verschnaufpause. So richtig kam das nicht bis zur Schiffsführung durch und wir segelten weiter in die Scharfe Lanke, wo ich an einem Steg des Ostufers ein Leegerwallanleger durchführen sollte. Der Anker war vorbereitet. Wir segelten dicht an den Stegköpfen vorbei, um nach einem Aufschießer zu ankern und uns von dort aus an den Steg zurücksacken zu lassen. An sich alles gut, nur dass wir etwas zu weit nördlich und in zu großer Entfernung vom Steg stehen blieben. So wurde auf den eigentlichen Anleger verzichtet und es gab wieder keine Essenspause, bevor der Anker gelichtet wurde. Das nächste Ziel hieß ASV-Steg. Der Anleger gelang. Er war zwar „in der B-Note“ nicht perfekt, aber wir kamen ohne zusätzliche Leinentricks an und konnten fest machen.
Ein knappes „Richard, komm mal her!“ von meinem Vertrauensschiffer ließ mich Schlimmstes befürchten. Dieser Mann kommt jedoch oft mit recht wenigen, aber stets wohl gewählten Worten aus, und so schmiss er mich zu meinem Erstaunen einfach ins Wasser (das eindeutige Zeichen einer bestandenen Prüfung). Ich schwamm ein wenig länger in dem von Algen grünen Nass, in der Hoffnung hier die stets gerühmte „Allwissenheit des Schiffers“ aufsaugen zu können. Bisher konnte ich davon aber nichts feststellen.
Die Bootsfrau wusste zwar wahrscheinlich bis zum Schluss nicht, dass sie auch geprüft wird, aber auch sie wurde am Ende des Tages in die Scharfe Lanke geworfen (und das aus meiner Sicht natürlich überaus verdient).
Danke an die vielen Mitsegelnden der letzten zwei Jahre. Mir hat es Spaß gemacht! Ich hoffe, Euch auch!
Richard
P.S. Dieser Bericht klingt evtl. etwas negativ. Ich kann mir gut funktionierende Sachen aber einfach nicht merken und so haben diese Ereignisse keinen Eingang in diesen Bericht gefunden.
Aus der Sicht der Prüfungskommission
Der Kandidat hat im obigen Bericht zutreffend eine vollständige Abhandlung aller Schwierigkeiten der Prüfung verfasst. Im mittlerweile gewohnten Understatement wurden, abgesehen von der weiten Querung der Imchen-Enge, sämtliche Punkte ausgelassen, die Anlass zu Lob geben würden. So sind beispielsweise das ausführliche Segeln durch das Bojenfeld vor dem SV03 inklusive gelungenem Bojenmanöver, das permanente Umfahren der immerhin vier großen Regattafelder auf der großen Breite ebenso wenig erwähnt worden, wie die durchgehend ausgestrahlte Ruhe des Kandidaten oder seine klare und deutliche Kommandosprache. Die gute Zusammenarbeit und Absprache mit der Bootsfrau fand ebenfalls nur am Rande Erwähnung. Gerade eine solche Zurückhaltung jedoch kann für einen jungen Schiffer eine durchaus positive Charaktereigenschaft sein.
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