Geschrieben von am 25. Juli 2018

Auftritt Sonne
Es ist Samstag, der 21.7.2018 und die Sonne wacht auf. War es ein Wecker? Nein. Seit jeher wacht sie von selbst auf, trotz oder gerade wegen ihres ruhigen und traumlosen Schlafes. Sie blinzelt, räkelt sich und entschließt sich dann, ihr warmes Licht auf unsere tapferen Protagonisten zu werfen, gesammelt im von Salz und Wetter gegerbten Walross. Die Crew spürt ihre Wärme, insbesondere der Pumakäfig ist sehr sensibel gegenüber Temperaturveränderungen, und so krabbeln sie, einer nach dem anderen, aus ihren Kojen, auf in einen neuen Tag.

Es ruft viel Arbeit, denn bald steht ein weiter Schlag an, und das nahe Portimão bietet die letzte Möglichkeit, nach Lust und Laune zu bunkern. Also wird der kurze Schlag schnell getan und ein Augenzwinkern später sieht man sie schon rückwärts in den Hafen segeln.

Der Ort wurde 1924 von einem Goméz zur Stadt erhoben, und das sieht man. Die Sonne ist geblendet von Bettenburgen und Billigbuden und wendet ihren Blick schnell wieder der Einkaufsdelegation zu, die nach stundenlangem Feilschen mit einer Rikscha zum Supermarkt düst und dort den Einkauf an der Kasse stehen lässt. Wenig überrascht wechselt ihr Augenmerk zum Seeschiff, welches sich in einen Clownfisch von Wäscheleine verwandelt hat. Schnell lässt sie sich dazu breitschlagen, die letzten Schweiß- und Persilperlen aus Socken und Unterwäsche herauszukitzeln.

Doch was ist das? Mitten in der Marina eine Dürre, sich über mehrere Hektar erstreckend. In ihr irren Menschen umher, bewaffnet mit Wasserflaschen, Sonnenhüten, Shampoo und Zugangskarten zum Duschhaus. Wenn man danach zum Schiff zurückkehrt, ist man verschwitzter als zuvor. Aber die Sonne kennt keine Gnade, und gepellte Schultern sind ihre Zeugen. Doch vom Wandern ist die Sonne ihres Amtes erheblich müde geworden und kann sich keinen besseren Nachfolger vorstellen als (Sailor-)Moon. In einem letzten Blick über die Schulter sieht sie noch einen Menschen am Walrossbug stehen, ihr hinterher kreischen.

Abgang Sonne, Auftritt Mond
Was für ein schrecklicher Tag. Er hatte in der Morgendämmerung zu viel gegessen und sein Mahl lag schwer im Magen, sodass er kaum ein Auge zu tat. Aber er musste zunehmen. So wollte es die Pflicht, ohne seine Tide läuft nichts. Er spürt die Last der Seefahrer auf seinen Schultern, alle verlangen Vorhersehbarkeit seiner Gezeiten. Am liebsten würde er mal Urlaub nehmen, Venus vielleicht, oder Mars, der soll auch schön sein, mit malerischen Sonnenaufgängen. Aber so einfach geht das nicht. Also weiter malochen.

Er schaut sich um. Menschen schlafen meistens nachts, eigentlich eine langweilige Schicht für ihn. Aber dort regt sich doch was!? Auf einem kleinen Schiff in Portugal wuseln Wesen umher. Wenn das keine basisdemokratische Abstimmung über die Abfahrtzeit zur Nachtfahrt ist, um rechtzeitig zur Springflut in den nächsten Hafen zu laufen. Schon wieder wollten sie was von ihm. Die Mehrheit möchte wohl früh in der Nacht auslaufen, einer möchte tatsächlich noch in der Dämmerung angeln. Närrisch! Wahrscheinlich wissen sie gar nicht mehr, wie man im Hellen segelt; überhaupt - kann man am Tage segeln?

Aber schon legen sie ab, gestaffelt in avantgardistischen Drei-Stunden-Wachen. Sein Kollege Wind ist nicht so pflichtbewusst unterwegs, dessen Job müsste man mal haben! Heute Nacht weiß er wirklich nicht, was er will, zwischen ein und vier Beaufort ist alles dabei, und in der Morgendämmerung macht er sich noch mal in die Kneipe oder so. Jedenfalls ist er weg. Wie gerne würde der Mond auf nen Absacker mitkommen, aber er muss das Segelboot ja noch zur Ilha da Culatra schubsen, sonst stecken die kleinen Hampelmänner im Sand fest. Fast haben sie es geschafft, dann kann er endlich ne Kleinigkeit essen und schlafen gehen.

Abgang Mond, Auftritt Sonne
Das ist mal eine Begrüßung! Es ist immer wieder nett anzusehen, wenn sich Crewmitglieder lautstark über ihr Erscheinen freuen. Sie haben es in der Nacht ein gutes Stück ostwärts geschafft und ihr Ziel beinahe erreicht. Nachdem der Anker in einem Pulk internationaler Segler fällt, geschieht erst mal wenig konstruktives. Menschen reiben sich mit Schutzcreme ein (wer kann es ihnen verübeln?) und installieren eine Spinnakerbaummimik, von der sie wagemutig ins Wasser schwingen. Die Sonne ist entzückt.

Später, als die Sonne ihr Haupt schon leicht gesenkt hat, macht sich die Crew in zwei Gruppen auf, um sich im Restaurant mit der gelben Markise zu stärken; das Zeitfenster ist eng, denn bald schließt die Küche. Doch der charmanten Crew bleibt nichts verwehrt und schon bald werden die schmackhaftesten Fischspeisen serviert.

Endlich hat die Sonne Zeit, ihr Augenmerk auf dieses merkwürdige Fleckchen des Erdballs zu werfen. Der Ort scheint vollständig zu sein: Post, Polizei, Krankenhaus, Schule, Gemeindezentrum und Mercado - alles vorhanden. Ansonsten jedoch: nichts, nicht einmal Straßen. Stattdessen Sand. In den Vorgärten wächst vereinzeltes Grün. Im Café wird Domino gespielt. Menschen bewegen sich zu Fuß fort oder per Traktor. Und erstaunlich viele schleifen einen Rollkoffer hinter sich her. Die Szenerie wirkt grotesk.

Mittlerweile ist die Mannschaft zum großen, atlantikseitigen Strand weitergezogen, hier werden Kaltgetränke geschlürft und eine spontane Jugend trainiert für Olympia-Trainingseinheit abgehalten. Ergebnisse: sandig. Im Café wird Domino gespielt.

Als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Südküste Portugals streifen lässt, klirren im Walross noch die Berlini-Gläser. Währenddessen wird im Café wahrscheinlich Domino gespielt. Dieser Tag wählte sich sein eigenes Motto:

Live slow, die never. Turtle style.

Abgang Sonne

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